Antenne Bayern - Nachgedacht: Juni 2016


Montag, 06. Juni 2016

Die Busfahrerin

Meine Tochter hat Konfirmation. Ich erfülle ihr einen Traum. Eine Reise nach Hollywood.

In Hollywood steigen wir in einen Bus. Die Busfahrerin ist schwarz. Eine ältere Dame will zusteigen. Sie sieht nicht mehr gut.

„Sind Sie schwarz“, ruft sie durch die Eingangstür.

„Ja“, sagt die Fahrerin.

„Dann warte ich auf den nächsten Bus.“

Die Busfahrerin verlässt den Bus.

„Was haben Sie gegen schwarze Menschen?“, fragt sie freundlich.

Die weiße Dame fuchtelt mit dem Stock. Einige Passanten stellen sich an ihre Seite.

Die Busfahrerin ruft die Polizei an, beschreibt die Dame.

„Sie hat was gegen Menschen mit anderer Hautfarbe“, sagt sie.

Der Bus muss jetzt abfahren. Keine Ahnung, ob die Polizei die alte Dame noch angetroffen hat.

„Die Busfahrerin ist aber mutig!“, staunt meine Tochter.

„Ja“, sage ich, „das nennt man Zivilcourage.“

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Dienstag, 07. Juni 2016

Rasenmähen

Rasenmähen. Ich gehe durch den Garten, schaue, ob irgendwelche Steine oder Äste im Gras liegen. Ein paar Weinbergschnecken ziehen ihre Bahn.

Ich gehe in die Garage, tanke den Rasenmäher voll, fahre ihn zum Rasen hinter dem Haus.

„Was suchst du denn da?“, ruft ein Nachbarsjunge.

„Weinbergschnecken.“

„Wieso?“

„Ehrfurcht vor dem Leben“, sage ich. Ich erkläre ihm, was Albert Schweitzer damit meint. Jedes Wesen hat ein Recht auf Leben. Auch Tiere. Töten von Tieren nur, wenn es gar nicht anders geht. Das gilt auch für die Schnecken im Gras.

„Dann müsstest du aber auch die ganzen Ameisen aufsammeln“, sagt der Junge. „Dann kommst du nicht zum Rasenmähen.“

Ja, er hat Recht. Und trotzdem ist Schweitzers Ansatz wichtig. Leben bewahren. Das fängt im Kleinen an.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Mittwoch, 08. Juni 2016

Das Bonbon

Ich bin sechs Jahre alt. Die Nachbarn haben eine Bäckerei. Neben dem Verkaufsraum ist das Wohnzimmer. Wir sind eingeladen.

Die Erwachsenen unterhalten sich. Mich langweilt das. Ich gehe in den Verkaufsraum. Niemand ist da. Auf dem Tresen steht ein großes Glas mit Bonbons.

„Wenn ich mir da eins, wirklich nur eins rausnehme. Also so eins nur mal zum Probieren, das fällt doch gar nicht auf“, sage ich mir.

Eine andere Stimme in mir sagt: „Hallo, das ist aber Stehlen, was du vorhast.“

Meine Hand wandert in das Bonbonglas. Ganz schnell schiebe ich eins in den Mund.

Jetzt kommt wieder die andere Stimme: „Du bist ein Dieb!“

Das Bonbon schmeckt mir nicht. Und ich habe Angst aufzufliegen. Weil man es riecht. Oder weil ich die Farbe des Bonbons auf der Zunge habe.

Am Abend beichte ich meinen Eltern die Tat. Danach geht es mir besser.

Eine wichtige Erfahrung für mich. Bis heute. Bereuen, jemandem beichten – das tut der Seele gut.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Donnerstag, 09.06.2016

Niete

Mein Auto braucht Öl. Ich fahre zur Tankstelle. Welches ist das richtige Öl? Schon das ist für mich schwierig.

Ich öffne die Motorhaube. Da, auf dem weißen Deckel, ist so eine Kanne abgebildet. Ich öffne den Behälter und gieße das Öl rein.

„Komisch“, denke ich, „geht ja gar nicht viel rein.“

„Hallo, haben Sie da eben das Öl reingeschüttet?“, fragt mich der Tankwart. Er steht plötzlich neben mir. Es war leider der falsche Behälter. Der, in den das Kühlwasser kommt.

Wieder mal habe ich versagt, was Technik betrifft. Wie schon mein ganzes Leben lang. Finger mit dem Hammer verletzt, das Bad unter Wasser gesetzt, den Bilderrahmen zerquetscht. Die Liste meiner Missgeschicke ist lang. Technisch bin ich eine völlige Niete.

Was mich tröstet? Dass niemand in allem eine Niete ist. Ein paar Talente hat Gott auch mir geschenkt. Und was das Motorenöl betrifft: Das passiert mir nicht wieder. Nächstes Mal frag ich gleich den Tankwart!

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Sonntag, 12. Juni 2016

Torwand

Ich bin zehn Jahre alt. Auf dem Sportfest steht eine Torwand. Ich bin ein Fan der Ersten Mannschaft. Jetzt schießen die Spieler auf die Torwand. Die Löcher sind klein. Nur selten trifft mal einer.

Ich selbst war noch nie ein guter Fußballspieler. Da sagt mein Vater: "Komm, schieß mal!". Er hat eine Mark Einsatz bezahlt. Ich erschrecke. Ganz viele schauen zu. Auch die von der Ersten Mannschaft. Mit rotem Kopf laufe ich an und --- Treffer. Der zweite Schuss: Treffer. Der dritte Schuss: Treffer. Der sechste und letzte oben: Treffer. Ich glaube, mein Herz hat nie wieder in meinem Leben so gerast. Ich gewinne das Torwandschießen.

Als Konfirmand höre ich später in der Kirche was vom Geist Gottes. Der kommt über uns. Macht unser Herz rasend vor Glück. Schwierig, sich das vorzustellen. Aber ich denke dann an die Torwand zurück. Und mir dämmert so ein bisschen, was damit gemeint ist. Der Geist Gottes. Das Herz, das rast.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion