Antenne Bayern - Nachgedacht: Dezember 2017


Montag, 04. Dezember 2017

Lassie

Er ist mein bester Freund. Der Colliehund. Meine Eltern kaufen ihn, als ich noch ganz klein bin. Er begleitet mich durch meine Kindheit und Jugend. Und heißt natürlich: Lassie.

Ich bringe ihm ein Kunststück bei. Den Ball mit der Schnauze jonglieren. Das scheint ihm Spaß zu machen. Immer wenn wir Besuch haben, zeigt Lassie sein Kunststück.

Eines Tages schieße ich den Ball in Lassies Richtung. Ich weiß nicht, warum ich das tue. Viel zu fest schieße ich. Lassie sieht den Ball nicht kommen. Ich treffe ihn unglücklich. Er heult auf, schleicht sich davon. Seitdem hat er nie wieder den Ball jongliert.

Manchen Fehler im Leben bekommt man kaum mehr eingefangen. Manch böses Wort scheint nicht mehr wegzugehen. Dann ist es für die, die es traf, schwer zu vergeben. Eigentlich unmöglich. Aber es heißt, aus Fehlern wird man klug. Welches Glück, wenn uns jemand eine zweite Chance gibt!

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Dienstag, 05. Dezember 2017

Adventskalender

Unsere Kinder bekommen immer Adventskalender. Ganz große. Mit Geschenken für jeden Tag. Warten auf Weihnachten, das ist 24 Mal ein kleines Glück.

Jetzt sind die Kinder groß und leben in ganz Deutschland verteilt.

„Das mit den Adventskalendern ist ja jetzt dann wohl vorbei“, sage ich.

Ich sehe in enttäuschte Gesichter.

„Okay“, sage ich, „Ihr bekommt weiter die Adventskalender.“

Warum sind ihnen die Adventskalender so wichtig? Es sind glaube ich nicht die Geschenke wie Shampoons oder Schokoladen. Nein. Aber mit den Päckchen jeden Tag wird die Zeit vor Weihnachten eine besondere. Eine Zeit des Wartens, des Erwartens. So wie es ursprünglich war. Die Menschen vor gut zweitausend Jahren haben auch gewartet. Dass sich die Dinge zum Besseren wenden. Dann kam Weihnachten. Die Geburt von Jesus von Nazareth. Er lebt vor, wie sich die Dinge bessern. Durch Vergeben, Lieben, auf Rache verzichten. An Weihnachten erfahren wir immer wieder neu von Jesus und seinem Handeln. Eine bessere Welt zeichnet sich ab. Manche können auch heute kaum erwarten, bis es wieder so weit ist.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Mittwoch, 06. Dezember 2017

Nikolaus

Niklaus, Niklaus, guter Mann. Als Kind muss ich das immer am 6. Dezember singen. Dann donnert es an der Tür. Herein kommt der Nikolaus.

„Na, bis du denn immer schön brav gewesen?“

Ich nicke. Der Nikolaus schüttelt den Kopf.

„Du hast dein Zimmer nicht aufgeräumt“, liest er von einem Zettel ab. „Du hast deine Schwester viel geärgert.“

Ich fühle noch heute meinen Puls schneller schlagen. Was wird der Nikolaus jetzt tun? Den Krampus rufen, der mich bestraft?

Jetzt holt der Nikolaus noch einen zweiten Zettel hervor. Er schimpft mit meinen Eltern. Sie sollen mir keinen Spinat aufzwingen. Und mich nicht auslachen, wenn ich so komisch auf der Straße springe. Woher weiß der das alles? Ich staune.

Dann sagt er: „Eltern! Kinder! Ihr habt euch nicht immer perfekt verhalten. Aber: Nobody ist perfect!“

Der Nikolaus kann Englisch, denke ich mir. Dann verteilt er die Geschenke. Ich atme auf. (Vom alten Bischof Nikolaus wird viel Gutes überliefert.) Der Nikolaus, der mir an jenem 6. Dezember begegnet, ist (auch) ein guter Mann. Einer, der auch die Eltern ins Visier nimmt. Und der vergibt. Ein wahrer Freund der Kinder!

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Donnerstag, 07. Dezember 2017

Weihnachten im Hofbräuhaus

Ab und zu fahre ich Tee und Suppe für Obdachlose in München aus. Das organisiert der katholische Männerfürsorgeverein. Er lädt außerdem Obdachlose und Arme an Heiligabend ins Hofbräuhaus ein. Dort gibt es für 800 Bedürftige ein gutes Essen und kleine Geschenke. Das Problem: Die Karten reichen nicht.

„Ich habe das zu spät mitbekommen“, sagt mir letztes Jahr ein älterer Mann. Sein Gesicht ist gezeichnet vom Leben auf der Straße. Ich bemühe mich um eine Karte für ihn. Aber es gibt keine mehr. Und die Zahl der Plätze im Hofbräuhaus ist begrenzt. Wegen der Sicherheit.

Ich weiß nicht, wie der Mann letztes Jahr Heiligabend verbracht hat. Aber ich kenne seinen Schlafplatz. Dieses Jahr weise ich ihn rechtzeitig hin, wann und wo es die Karten für die Feier im Hofbräuhaus gibt. Denn Weihnachten, das ist das Fest, wo Maria und Josef Obdachlose waren. Sie haben schließlich einen Stall als Herberge gefunden. So erzählt es die Bibel. Das Hofbräuhaus ist an Heiligabend auch so eine Art Stall. Für alle, die ohne Herberge sind. Ich glaube, auch da ist Gott mitten dabei.

  

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Sonntag, 10. Dezember 2017

Ich will endlich nach Hause

Frau Böhm hat als Kind in Schlesien gelebt. Dann kam die Flucht nach Bayern. Jetzt ist sie schon fast neunzig Jahre alt. Ich besuche sie im Altenheim.

„Wie war denn eigentlich die Zeit vor Weihnachten in Schlesien?“, frage ich sie.

Sie atmet tief durch.

„Ach, damals gabs eine Bäckerei in unserem Dorf“, erzählt sie. „Da bin ich jeden Tag dran vorbeigelaufen. So ab Anfang Dezember roch es da ganz anders.“

In ihren Augen sehe ich Tränen.

„Frau Böhm, nach was hat es da gerochen?“

„Sonst roch es immer nach Brot. Aber vor Weihnachten war da so ein süßer Geruch. Das waren Lebkuchen. Und ein, zwei Mal vor Weihnachten hat mir meine Mutter einen gekauft.“

Frau Böhm erzählt noch viel über diese Zeit. Nach einer Stunde ist sie müde. Als letzten Satz sagt sie mir: „Ich will jetzt endlich nach Hause.“

Am nächsten Morgen bekomme ich einen Anruf. Frau Böhm ist in der Nacht entschlafen. Vielleicht ist sie ja jetzt zu Hause.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion