Antenne Bayern - Nachgedacht:  April 2021


Montag, 19. April 2021

Der Spender

 

Udo ist obdachlos. Zwei Jahre lang. Dann bekommt er eine Sozialwohnung. Aber er hat wenig Geld. Kann sich kaum etwas leisten. Dann ruft er mich mit aufgeregter Stimme an.

„Felix, ich bekomme jetzt die Schwerbehinderung anerkannt“, sagt er.

„Na endlich“, sage ich.

„Und weißt du was heute auf meinem Konto eingegangen ist? Einhundert Euro. Die hat mir das Amt überwiesen, weil ich jetzt den Ausweis habe.“

Am Abend sehe ich Udo am Sendlinger Tor in München. Er steht bei einigen Obdachlosen. Die lagern auf ihren Schlafsäcken. Alle essen Krapfen.

„Hat uns Udo spendiert“, sagt einer.

Udo winkt ab. Ihm ist das eher peinlich. Er will nicht als der großzügige Spender dastehen.

Mich beeindruckt das. Udo ist arm. Er erhält überraschend Geld. Und gleich gibt er davon etwas ab. An die, denen es noch schlechter geht als ihm. So eine Geschichte könnte auch in der Bibel stehen.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Dienstag, 20. April 2021

Laternenpfahl

 

Herr Berger erzählt mir von seinem Sohn.

„Der hat mit mir gebrochen. Seit Jahren haben wir keinen Kontakt. Jetzt habe ich zufällig erfahren, dass er schwer krank ist. Ich würde ihn gerne besuchen, aber …“

„Was aber?“, frage ich.

„Aber er war damals so böse zu mir. Ich bin hin und her gerissen. Mal denke ich, ich gehe hin. Mal sage ich mir: Nein, mein Stolz verbietet das.“

Einige Tage später treffe ich Herrn Berger wieder.

„Und? Haben Sie Ihren Sohn besucht?“

Er nickt. Und erzählt: „Ich habe am Abend ins Handy geschaut. Beim Gang durch die Stadt. Dabei bin ich gegen einen Laternenpfahl gerannt. Das hat sehr weh getan. Ich habe es als Zeichen aufgefasst. Dass mir irgendjemand damit sagt: Du musst dich entscheiden. Also habe ich meinen Sohn besucht.“

„Ihnen ist an der Laterne ein Licht aufgegangen“, sage ich. Herr Berger schmunzelt. „Ja! Und es war ein gutes Gespräch mit meinem Sohn.“

Manchmal bekommen wir versteckte Zeichen, denke ich mir. Für mich sind das Zeichen von Gott. Wir müssen nur aufmerksam sein. Dann erkennen wir diese Zeichen.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Mittwoch,  21- April 2021

Butterbrot

 

 „Als Kinder waren wir sehr arm“, sagt Frau Rothmann. Sie wird bald achtzig. „Butter war nach dem Krieg etwas Kostbares. Die gabs für uns Geschwister nur ganz dünn aufs Brot.“

Ich denke an die vielen Buttersorten in unseren Supermärkten. Diesen Überfluss heute.

„An einem Sommertag öffnen wir unsere Schulbrote“, erzählt die alte Frau weiter. „Die Butter ist ganz weggeschmolzen. Unsere Mitschüler lachen uns aus.“

„Hm. Das muss doch schlimm gewesen sein“, sage ich. „Erst keine Butter mehr. Und dann noch ausgelacht werden.“

„Nein, war nicht schlimm“, sagt Frau Rothmann. „Mein Bruder hat gesagt, wir hätten die Butter absichtlich schmelzen lassen. Dann zieht sie ins Brot ein. Das Brot schmeckt dann viel besser.“

„Aha“, sage ich. „Und das haben die Mitschüler geglaubt?“

„Ja. Sie haben ihre Brote mit viel Butter auch geöffnet. Sie extra in die Sonne gehalten. Und fanden, es schmeckt wirklich besser.“

Frau Rothmann strahlt. Und fügt noch einen Satz hinzu: „Glaube versetzt Berge!“

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Donnerstag, 22. April  2021

Meditation?

 

„Ich streite mich mit meinem Nachbarn wegen einer überstehenden Hecke“, sagt mir Herr Huber. Er ist sichtlich aufgebracht. „Heute waren wir beim Anwalt. Zu einer Meditation.“

Oh, denke ich. Das ist mal ein neuer Weg, einen Streit zu schlichten. Meditieren beim Anwalt. Stumm im Kreis sitzen. Und in der Mitte brennt eine Kerze.

„Oder heißt das Mediation?“, fragt Herr Huber.

Das war es wohl eher, denke ich. Eine Mediation. Ein Verfahren, um Konflikte beizulegen.

„Und, hat es etwas gebracht“, frage ich Herrn Huber.

„Eher nicht“, sagt er. „Wir sind ziemlich laut auf einander losgegangen.“

„Okay“, sage ich. „Vielleicht sollten sie dann wirklich mal meditieren. Jeder in sich gehen. Sich fragen, ob eine Hecke das wert ist. Sich so spinnefeind sein. Niemand wohnt doch gerne mit Nachbarn, mit denen man streitet.“

Einige Wochen später treffe ich Herrn Huber wieder.

„Und, ist der Streit beigelegt?“

„Ja, stellen Sie sich vor, der Nachbar hat die Klage von sich aus zurückgezogen. Jetzt vertragen wir uns wieder.“

„Wie schön“, sage ich und zwinkere Herrn Huber zu. „Vielleicht hat er ja meditiert.“

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Sonntag,  25. April  2021

Große Liebe

 

Stefan sitzt mir gegenüber. Vor fünf Jahren habe ich ihn und seine Frau getraut. Jetzt ist sie gestorben. Krebs. Zurück bleiben Stefan und zwei heranwachsende Kinder.

„Ich habe hier meine Notizen von der Trauung, Stefan. Wollen wir die noch mal durchgehen?“

Er nickt. Wir lassen die Träume Revue passieren. Das, was sie vor fünf Jahren alles vorhatten. Das eigene Haus. Die Reise nach Südamerika. Die Einschulung der Kinder.

„Vieles haben wir noch geschafft“, sagt Stefan. „Und die Coronazeit war gut für uns, so komisch das klingt. Da haben wir viel Zeit füreinander gehabt. Und trotzdem …“

Wir schweigen eine Weile.

„Und trotzdem tut es so so weh“, sagt er schließlich. „Sie war meine große Liebe.“

Wieder schweigen wir. Dann korrigiert er sich.

„Sie war nicht meine große Liebe. Sie ist und bleibt es.“

Wie gut, denke ich mir, wenn er das so sieht. Die Liebe endet nicht mit dem Tod.

„Die Liebe hört niemals auf“, heißt es in der Bibel. So traurig alles ist: Ein bisschen Trost ist das für Stefan vielleicht auch.

 

Eine behütete Nacht wünsche ich

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion