Antenne Bayern - Nachgedacht:  März 2020


Montag, 23. März 2020

Kann der Glaube Berge versetzen?

Herr Mautner kommt auf mich zu und will mir die Hand schütteln. Ich lehne es ab, wegen der Ansteckungsgefahr. Der Corona-Virus.

„Ach, das ist doch alles nur Hysterie. Ich bin da voller Gottvertrauen, dass mir nichts passiert“, sagt Herr Mautner.

Mich beschäftigen Herrn Mautners Worte. Reicht Gottvertrauen, um den Coronavirus von mir fernzuhalten? Ich denke an Worte in der Bibel. Der Glaube an Gott kann Berge versetzen, sagt Jesus da. Kann er das wirklich? Kann der Glaube auch einen Virus abwehren?

Ich verstehe den Berg, wie ihn Jesus hier meint, als Symbol. Ein Symbol für Ängste und Zweifel. Für alles, was mir das Leben erschwert. Diesen Berg kann ich überwinden, wenn ich positiv denke. Wenn ich auf ein höheres Wesen wie Gott vertraue.

Aber Gottvertrauen allein reicht nicht, um eine Krankheit abzuwehren. Ich muss das Meine dazu tun, damit ich dem Corona-Virus keine Chance gebe. Also desinfiziere ich die Hände, meide größere Menschenansammlungen und so weiter.

Sorry, Herr Mautner, es war nicht höflich, Ihnen nicht die Hand zu schütteln. Aber ich tue alles, um nicht am Corona-Virus zu erkranken. Und vertraue darauf, dass Gott bei mir ist und ich mit ihm den Berg an Ängsten überwinde.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Dienstag, 24. März 2020

Scheitern muss sein

Luisa bewirbt sich auf einen Studienplatz. Eine Studienberaterin hat ihr Betriebswirtschaft empfohlen. Sie muss zu Auswahlgesprächen, Tests. Dann kommt die Zusage.

„Ich bin so glücklich“, sagt Luisa.

Sie beginnt das Studium. Nach dem ersten Semester schreibt sie fünf Klausuren. Die erste Klausur läuft ganz gut. Doch dann kommt die Mathe-Prüfung. Sie bleibt bei der ersten Aufgabe hängen. Die Zeit rast ihr davon. Am Schluss hat sie nur die Hälfte der Aufgaben geschafft. So geht es auch bei den nächsten Prüfungen.

„Ich schaffe das Studium nicht“, sagt Luisa verzweifelt.

„Und was ist daran schlimm?“, frage ich sie.

„Na, ich bin doch dann blamiert. Vor meinen Eltern, meinen Freunden, das ist doch furchtbar.“

„Sehe ich anders“, sage ich. „Wer richtig erfolgreich sein will, muss auch mal scheitern.“

„So ein Quatsch“, sagt Luisa.

Einige Monate später treffe ich Luisa wieder.

„Ich studiere jetzt Chemie“ sagt sie.

„Und, wie ist das?“

„Sehr cool“, strahlt sie. Und ergänzt: „Vielleicht stimmt das ja, das mit dem Scheitern. Dass man das mal erlebt haben muss.“

„Ja“, sage ich und denke an mein eigenes Scheitern im Leben. Als Christ kann ich mit Scheitern umgehen. Weil ich glaube, dass mir Gott vergibt. Und ich mir auch selbst vergeben kann.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Mittwoch,  25. März 2020

Die trauernde Prinzesssin

Die Prinzessin liebt ihre Tochter Aurica über alles. Dann ertrinkt Aurica. Die Prinzessin ist tief erschüttert. Jahre ist sie in der Trauer gefangen. Verdrängt die Gedanken an Aurica, weil sie so weh tun.

Dann sieht sie einen Sperling auf dem Mauersims ihrer Terrasse sitzen. Er tschilpt aufgeregt vor sich hin. Die Prinzessin hört aus den Vogellauten die Worte: „Komm, folge mir!“

Sie steht auf, und der Sperling fliegt vor ihr her. An einer Felsmauer setzt er sich nieder und zeigt ihr mit dem Kopf an: „Komm, Prinzessin, greif mal in diese Felsspalte hinein.“

Die Prinzessin tut es und zieht etwas heraus.

„Auricas Kette“, flüstert sie ungläubig. „Wie ist die nur hierhergekommen? Wir haben sie so lange gesucht.“

Am nächsten Tag wiederholt sich die Szene. Nur dass der Sperling sie dieses Mal zu einem Baum führt. Dort findet sie Auricas Ohrringe in einem Astloch. Auf diese Weise tauchen nach und nach Spielsachen von Aurica auf.

Bei jedem Fundstück kommen der Prinzessin Erinnerungen an ihre verstorbene Tochter. An so viel Schönes, was sie gemeinsam erlebt haben.

Nach einigen Monaten merkt sie: Die Trauer weicht. Sie wird dankbar dafür, Aurica gehabt zu haben.

Trauer geht nicht weg, wenn wir sie verdrängen, sondern nur wenn wir uns ihr stellen.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Donnerstag, 26. März 2020

Die Polizistin

 Morgens komme ich auf dem Weg zur Arbeit an einem Geschäft vorbei. In seinem Eingang lagert immer eine Familie. Sie verbringen dort unter dicken Decken die Nacht.

Das Geschäft öffnet um zehn Uhr. Jemand hat die Polizei gerufen. Die Beamten teilen der Familie mit, dass sie den Eingang zu verlassen haben. Ich höre die junge Polizistin, wie sie das Anliegen auf Englisch erklärt.

Doch irgendwas ist ungewöhnlich. Was es wohl ist? Dann fällt es mir auf. Die Polizistin steht nicht, spricht nicht von oben herab zu den Leuten. Nein, sie ist in die Hocke gegangen. Freundlich, souverän spricht sie mit der Familie und sagt ihnen, wo sie auch noch einen kostenlosen Kaffee bekommen.

Ich ertappe mich selbst. Wie oft habe ich bettelnden Menschen auf der Straße ein paar Münzen von oben herab hingeworfen!

„Darf ich Sie mal was fragen?“, spreche ich die Polizistin an.

Sie nickt.

„Sie sind eben in die Hocke gegangen, als Sie mit der Familie gesprochen haben. Warum?“

„Weil ich mich auf Augenhöhe begeben wollte“, antwortet sie. „Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz. Das muss man auch praktisch umsetzen. Lernen wir in der Polizei-Ausbildung.“

Hm, denke ich mir, sie hat Recht. Wenn ich das nächste Mal einem armen Menschen etwas gebe, gehe ich auch in die Hocke. Arthrose hin oder her .

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Sonntag,  29. März 2020

Der Schaffner

 Es ist dreiundzwanzig Uhr. Ich will den letzten Zug von Schliersee nach München nehmen. Es ist kalt, schneit sogar ein bisschen.

„Tut mir leid,“, sagt der Schaffner, „wegen Sturm fährt kein Zug mehr nach München. Ich fahr jetzt nach Bayrischzell weiter.“

„Hm, und was soll ich tun? Ich kann doch nicht hier im Freien übernachten!“

Der Schaffner denkt nach, dann telefoniert er.

„Ich habe mit meinem Chef gesprochen. Es kommt ein Taxi und fährt sie nach München.“

Ich freue mich zunächst. Doch dann kommen Zweifel.

„Wer garantiert mir, dass das Taxi kommt?“, sage ich zum Schaffner. „Geben Sie mir die Telefonnummer ihres Chefs. Dann kann ich ihn anrufen, falls das Taxi nicht kommt.“

„Die darf ich Ihnen nicht rausgeben.“

Ich gehe zur Stelle, wo das Taxi hinkommen soll. Der Zug nach Bayrischzell fährt ab. Ich ärgere mich über den Schaffner. Lässt mich ohne Telefonnummer in der Kälte stehen.

Doch plötzlich steht der Schaffner vor mir.

„Ich warte jetzt mit Ihnen, fahre mit dem nächsten Zug mit. Wenn das Taxi nicht gleich kommt, rufe ich wieder meinen Chef an.“

Es dauert eine Stunde, bis das Taxi kommt. Ich bin ganz durchgefroren. Aber trotzdem ist es eine gute Nacht. Ein Schaffner, der sich um seine Fahrgäste ganz persönlich kümmert. Einer, der sich sorgt, dass andere nicht verloren gehen. So hat es, denke ich mir, Jesus vorgelebt. Danke, unbekannter Schaffner!

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion