Antenne Bayern - Nachgedacht:  Januar 2021


Montag, 11. Januar 2021

Beste Freunde

 

„Es ist sehr schlimm. Ich verliere gerade Max, meinen besten Freund“, schreibt mir Frau Huber. Ich kenne sie nicht.

„Was hat er denn“, frage ich.

„Er hat Krebs. Die einzige kleine Hoffnung wäre eine Operation. Aber die ist teuer. Und die Chancen sind gering. Ich kann keine Minute mehr schlafen.“

„Was sagt denn die Krankenkasse“, frage ich. „Wollen die das nicht übernehmen?“

„Er hat keine Krankenkasse. Er ist schon sehr alt. Der Arzt rät mir, ihn einzuschläfern. Max, das ist mein Kater!“

Uff! Ich erwische mich. Weil ich denke: Nicht so schlimm. Ein alter Kater. Doch für Frau Huber ist das genauso schlimm, wie wenn ein Angehöriger stirbt. Max war immer an ihrer Seite. Als sie den Job verloren hat. Als ihre Ehe auseinanderging.

Ja, man kann schon sehr um ein Tier trauern. Oft sind sie treuer als Menschen. Auch sie sind Geschöpfe Gottes. Leiden mit uns und freuen sich mit uns. Beste Freunde eben.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Dienstag, 12. Januar 2021

Copacabana

 

Ich bin noch ein kleines Kind, als meine Eltern sich ein neues Radiogerät kaufen. Mein Vater macht es an. Es ertönt lateinamerikanische Musik. Ich weiß sogar noch den Titel. Irgendwas mit Copacabana. Ich bin begeistert. Tanze wild umher.

Abends sagt mein Vater: „Ich werde das Radio gegen ein anderes eintauschen.“

„Nein“, sage ich entsetzt, „bitte nicht! In diesem Radio kommt doch die Copacabana.“

Ich bin ehrlich verzweifelt. Weil ich noch nicht so richtig weiß, wie ein Radio funktioniert.

„Aber das andere Radio spielt doch bestimmt auch mal die Copacabana“, sagt mein Vater.

Mich überzeugt das nicht. Ich sehe, wie er das Radio mitnimmt. Mit einem neuen kommt er heim. Er schaltet es an. Irgendetwas von den Beatles kommt. Aber nicht die Copacabana!

„Hab ich’s doch gleich gewusst“, denke ich mir.

Heute weiß ich: Meine Argumente waren nicht logisch. Aber wenn wir etwas Liebgewordenes verlieren, kommen wir mit Logik nicht weit. Dann packen uns Gefühle und Emotionen. Ihnen sollten wir Raum geben.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Mittwoch,  13. Januar 2021

Ich lebe noch

 

Hannes ist 28 Jahre alt und Pilot. Im letzten Frühjahr muss auch er in den Lockdown. Nichts geht mehr. Kein Fitnessstudio, keine Treffen mit Freunden, kein Fliegen.

„Nur noch Supermarkt und Homeoffice“, sagt er. „Den ganzen Tag in der kleinen Wohnung. Irgendwann habe ich geglaubt, ich bin fast tot.“

Im Sommer dann die Lockerungen. Er hat einen großen Traum: Das Matterhorn in der Schweiz besteigen.

„Die Zeit ist günstig“, sagt er sich. Mit einem Bergführer startet er morgens um halb vier. Links und rechts geht es tausend Meter runter. Einmal schwebt Hannes nur an einem Seil über dem Abgrund.

„Hattest du da große Angst?“, frage ich ihn.

„Nein“, sagt er, „im Gegenteil. In diesem Augenblick habe ich gemerkt, dass ich noch lebe.“

Ich glaube, so was brauchen wir ab und zu alle. Etwas Abenteuerliches tun. Damit wir merken, dass wir noch leben. Die Bibel berichtet uns von solchen Menschen. Die ein Abenteuer bestehen. Und danach viel intensiver leben. Wann starten wir unser Abenteuer? Es muss ja nicht gleich das Matterhorn sein.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Donnerstag, 14. Januar 2021

Händchenhalten

 

Mein Freund Martin interessiert sich für Tiere.

„Weißt du, wie Otter schlafen?“, fragt er mich.

„Nein“, sage ich. „Das interessiert mich auch nicht besonders.“

„Sollte dich aber interessieren“, sagt er

„Okay. Warum?“.

„Otterpaare schlafen nebeneinander im Wasser“, sagt Martin.

„Ah, verstehe. Und wie machen die das, dass sie nicht auseinandertreiben im Schlaf?“

„Genau das habe ich mich auch gefragt“, sagt Martin. „Und ich weiß jetzt, wie sie es machen. Sie halten sich nämlich an den Händen. Ist das nicht toll?“

Martins Begeisterung ist groß. Ich überlege, ob Otter Hände haben. Oder eher Pfoten?

„Wir Menschen können daraus viel lernen“, meint er. „Wenn wir uns gegenseitig halten, geht niemand verloren.“

„Bisschen weit hergeholt, Martin“, sage ich.

Aber später denke ich noch mal über seinen Satz nach. Wenn wir uns gegenseitig halten, geht niemand verloren. Vielleicht ist das gar nicht so verkehrt. Von Tieren kann man so manches lernen. Auch von Ottern.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion

 

Sonntag,  17. Januar 2021

Weinsoße

 

Es ist Mittag. Ich komme von der Schule nach Hause. Niemand ist da. Germknödel gibt es. Die Soße steht in einer Schale. Hmmm, die Soße ist lecker. Ich nehme noch einen Löffel. Und noch einen. Und noch einen.

Dann werde ich müde. Ich muss für die Mathearbeit morgen lernen. Aber ich kann die Augen nicht aufhalten, schlafe ein. Als ich aufwache, ist es draußen dunkel. Hilfe, wo bin ich? Ich schlafe gleich wieder ein. Dann weckt mich meine Mutter. Mir dreht sich alles. Ich packe meine Schulsachen. Verdammt, ist heute nicht Mathearbeit?

Der Lehrer verteilt die Aufgaben. Ich verstehe überhaupt nichts. Gebe ein leeres Blatt ab. Der Lehrer sieht mir an, dass etwas nicht stimmt. Ich gehe nach Hause. Bin offiziell krank.

Aber wisst Ihr, was ich eigentlich bin? Ich bin – besoffen! Seit dem Vortag. Die Soße meiner Mutter war mit viel Wein versetzt.

In der Mathearbeit habe ich die einzige Sechs meiner Schullaufbahn. Und meine Mutter lacht. Bin ich erleichtert. Keine Schimpfe. Vergebung erfahren ist so was Schönes. Göttlich! Wie Weinsoße.

 

Und morgen ist ein neuer Tag

Felix Leibrock, Evangelische Redaktion